Jeder der mit Yoga beginnt, hat einen Grund dafür. Diese sind so unterschiedlich wie die verschiedenen Yogastile, die es mittlerweile gibt. Die Einen wollen einen gesunden, flexiblen Körper erlangen, die Anderen wollen in eine meditative Stille eintauchen. Deshalb ist es auch manchmal nicht leicht den passenden Stil für sich zu finden.
Was versteht man unter Hatha Yoga
Im Hatha Yoga, welches ein dynamischer und aktiver Yogastil ist, arbeiten wir hauptsächlich mit unserer muskulären Hälfte – dem YANG Gewebe. Im Yin Yoga hingegen wird es uns ermöglicht mit der anderen Hälfte – der YIN Hälfte des Körpers zu arbeiten. Dies sind unsere Bänder, die Gelenke, die tiefen faszialen Netzwerke, die sich über die Muskeln legen, bis hin zu den Knochen.
Umso wichtiger ist es unseren Körper gut zu kennen um die Grenzen, die jeder von uns hat, rechtzeitig wahrnehmen zu können, bevor es zu Verletzungen kommt.
Prinzipiell haben fast alle aktiven Yogastile ihren Ursprung im Hatha Yoga. Die Körperhaltungen – Asanas - werden meist für 5 bis 8 Atemzüge gehalten, hier befinden wir uns in der Kraft. Die Muskeln werden gefordert, aktiviert und erwärmt. Man ist sich nicht einig darüber wie viele Asanas es eigentlich gibt, aber mittlerweile es sind unzählige. Durch bestimmte Übungen wird unser Körper auf Basis von muskulären, sowie organischen Energie gefordert. Durch die dynamischen Bewegungen werden unseren Muskeln und Fasern beansprucht. Unsere Muskeln sind elastisch. Trainieren wir diesen elastischen Bereich, kehren diese in ihre ursprüngliche Form zurück. Der Muskel wird aktiviert und gekräftigt. Beanspruchen wir unsere Muskeln, werden die Gelenke geschützt, deshalb sind im Hatha Yoga alle Übungen, sogar die Berghaltung, AKTIV. Wenn du regelmäßig Yoga praktizierst und deine Gelenke dabei nicht schützt, sprich keine muskuläre Energie einsetzt, wirst du dies im Laufe der Zeit zu spüren bekommen. Befinden wir uns immer wieder in einer bequemen Komfort Zone in der Asana, werden unsere Gelenke schleichend abgenutzt, bis es irgendwann einmal zu Folgeschäden kommt, die nicht angenehm sind.
Umso wichtiger ist es, seinen eigenen Köper gut zu kennen, auf ihn zu hören und zu reagieren, wenn wir einen Punkt erreichen, der sich nicht mehr gut anfühlt. Unser Ego ist stark, oft entwickeln wir im Laufe der Praxis einen Leistungsdruck uns gegenüber. Wir wollen Resultate sehen, ignorieren die Grenzen unseres Körpers, bauen uns selbst einen Leistungsdruck auf, gönnen uns keine Ruhephasen, beobachten nicht wie der Körper reagiert, sind schlicht weg uns selbst gegenüber ignorant. Aber, wann immer ein Gewebe beansprucht wird ist es wichtig dieses danach auch ausruhen zu lassen. Sei es zwischen der Praxis, um einfach die Wirkung der Asana aufzunehmen, sowie nach deiner Einheit.
Was versteht man unter Yin Yoga
Yin Yoga hingegen ist ein sanfter und passiver Yogastil, ist nachgiebig und nährend. Es macht vielleicht den Anschein, dass es sich hier nur um ein „herumliegen“ handelt, da alles so einfach wirkt, aber glaubt mir, einfach ist nicht immer gleich leicht. Im Yin Yoga gibt es 15 Körperübungen, welche zwischen 3 bis sogar 20 Minuten gehalten werden. Und genau hier liegt die Schwierigkeit. Eine Zeit lang in die Stille eintauchen bedeutet auch, eine Zeit lang loslassen können. Hast du schon einmal versucht, bewusst, einfach einmal 10 Minuten auf dem Rücken zu liegen ohne die Impulse, die so in dieser Zeit auftauchen nachzugeben? Da rührt sich einmal das Bein, die Hände wollen sich bewegen, die Gedanken werden lauter und Emotionen tauchen auf. Gar nicht so einfach dieses Nichtstun. Ich kann mich noch an meine erste Yin Yoga Stunde erinnern. Am liebsten wäre ich mitten in der Stunde aufgestanden und weggelaufen. Diese Stille, die hat mich fast um den Verstand gebracht. Mein Körper wollte mir nicht gehorchen, und mein Geist fuhr Karussell mit mir. Aber ich habe mich dieser Herausforderung gestellt und habe Yin Yoga in mein Herz geschlossen.
Die Kunst im Yin Yoga ist also, sowohl auf der psychischen als auch auf der körperlichen Ebene Gleichgewicht zu erlangen, um in unsere tieferen Schichten zu gelangen. Das Yin Gewebe – Bänder, Gelenke und Knochen – ist ein trockenes und weniger elastisches Gewebe als das Yang Gewebe (Muskeln). Wo die Muskeln beim Hatha Yoga eher warm sind, sind die Bänder im Yin Yoga eher kühl und weniger elastisch als unsere Muskeln. Um unsere Bänder, Gelenke und das Gewebe zu kräftigen und stimulieren, braucht es Zeit. Deshalb werden die Übungen über eine längere Zeitspanne gehalten, da unser Gewebe erst ab 2 Minuten beginnt, langsam weich zu werden. Die Aufgaben der Muskeln sind unsere Knochen zusammen zu halten. Ist der Muskel entspannt, geht die Beanspruchung auf die Bänder über. Die Bänder halten unsere Gelenke zusammen. Was tun wir also in einer Yin Yoga Stunde mit unserem Körper. Wir drehen, dehnen und Komprimieren ihn ohne Krafteinsatz. Sprich wir lassen die Schwerkräfte wirken bis wir an einen Punkt gelangen wo wir einen Widerstand spüren. Dann befinden wir uns an einem Punkt, über den wir nicht weitergehen, unsere Grenze.
Wichtig ist hier seinen Körper und den Aufbau zu verstehen, denn es gibt verschiedene Arten von Grenzen – welche auch im Hatha Yoga gelten. Die Goldene Regel ist, solange in der Position zu verweilen, solange wir keinen Schmerz verspüren. Beginnen wir also mit einer Übung ist es wichtig sich Zeit zu nehmen, um die optimale Position zu finden. Benutze deinen Körper nicht um in die Position zu finden – nutze die Position, um in deinen Körper zu finden! Wenn wir dann also die für uns optimale Haltung gefunden haben, entschließen wir uns genau in dieser Position eine Zeit lang zu Ruhen in der Stille, sprich ohne uns zu bewegen. Hier streben wir nach der Ruhe im Körper, des Geistes und des Atems. Sind wir in dieser Stille angekommen, heißt es nun den Beobachter zu spielen. Welche Empfindungen, Gedanken, Emotionen tauchen auf, wo kann ich sie wahrnehmen und was wollen sie mir sagen. Wir bleiben achtsam, beobachten ohne jegliche Bewertung. Sobald es aber irgendwo im Körper zum kribbeln (elektrischer Schmerz), zu einem Stechen oder Brennen kommt, heißt es die Position sofort zu verändern oder zu verlassen. Es geht um unsere Gesundheit und nicht um ein Leistungsziel, das wir erreichen wollen. Die optimale Position ist nicht zu viel und nicht zu wenig, wir dürfen unseren Körper ruhig spüren, jedoch ohne Schmerz.
Generell gilt bei allen Yogastilen, bleibe mit deiner Aufmerksamkeit bei dir. Mach dir bewusst, dass jeder Körper einzigartig ist. Was dem Einen gut tun, kann für dich vielleicht sogar gefährlich werden. Deshalb ist es umso wichtiger den Körper und seine persönlichen, natürlichen Grenzen zu kennen und vor allem zu wissen woher kommt dieser Widerstand. Warum ist unser Bewegungsradius manchmal eingeschränkt. Muskeln, Faszien, Sehnen, Gelenke, ja sogar Knochen können uns in unserer Flexibilität einschränken. Und hier muss uns bewusst sein, haben wir unseren Bewegungsradius einmal erreicht (Gelenke, Knochen) und eine Kompression hält jede weitere Bewegung auf, können wir noch so viel Praktizieren. Unser Bewegungsradius kann dadurch nicht mehr erweitert werden, machen wir an diesem Punkt weiter, nutzen wir unseren Körper ab, schaden ihm.
Wer länger den Weg des Yoga – egal welcher Stil – verfolgt und dranbleibt, wird aber nicht nur auf körperlicher Ebene eine Veränderung wahrnehmen. Es ist die Atmung, der Geist unser Verhalten unsere Einstellung die sich Schritt für Schritt mitentwickelt. Durch spezielle Atemtechniken, sowie Bewegungen wir unser Prana (Lebensenergie) über die vielen kleinen Energiekanäle durch unseren Körper befördert, Blockaden können sich lösen, Energie wird frei und bis in die letzte Zelle geschickt. Denn auch Emotionen können sich in unserem Körper manifestieren. Oft spürt man diese im Bereich Bauch, Brust und Kehle. Genauso wie unser Blut zirkulieren muss, um uns am Leben zu erhalten, muss auch unsere Energie, unser Prana zirkulieren können, was wiederum – unter Andrem – Auswirkung auf unser Nervensystem hat.
Ich könnte hier noch weiterschreiben, würde aber die Länge des Beitrages sprengen. Falls du literarisch ein wenig tiefer tauchen möchtest, dann lege ich dir folgende Bücher ans Herz, sie sind eine Bereicherung:
Bernie Clark
Das große Yin Yoga Buch
TRIAS Verlag
sowie
Dein Körper – Dein Yoga
RIVA Verlag
H. David Coulter
Anatomie des Hatha Yoga
Yoga Verlag
B.K.S. Iyengar
Licht auf Yoga
Fischer Verlag
ALLES LIEBE
Eure Claudia
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